Ein Genie
Die Zeit der großen Genies ist vorbei. Heute das Gebiet der Naturwissenschaften auch nur annähernd beherrschen zu wollen, wäre eine Leistung, zu der selbst der begabteste Wissenschaftler nicht mehr fähig sein dürfte!
Der vielleicht letzte Naturwissenschaftler, der dies vermochte, war Hermann von Helmholtz. Mediziner, Mathematiker und Physiker der Ausbildung nach, war er in all diesen Fächern zu Hause, je nachdem was für ein Forschungsgebiet ihn gerade beschäftigte.
Man kann sein Leben nicht einfach in eine medizinische, eine mathematische oder eine physikalische Schaffensperiode einteilen, denn immer greifen in ein Gebiet die Erkenntnisse der anderen Gebiete mit hinein.
Hermann Ludwig Ferdinand von Helmholtz (1821-1894)
Der Schüler und Student
Hermann Ludwig Ferdinand von Helmholtz wurde am 31. August 1821 in Potsdam geboren. Schon auf der Schulbank bewies der Junge seine erstaunliche Begabung. Neben physikalischen Experimenten, die ihn vor allem fesselten, lernte er Latein, Griechisch, Hebräisch, Französisch, Englisch, Italienisch und Arabisch. Mit siebzehn Jahren legte Helmholtz sein Abitur ab und wollte anschließend Physik studieren. Sein Vater hielt dieses Studium für eine „brotlose Kunst“, und Helmholtz begann am „Medizinisch-Chirurgischen Friedrich-Wilhelm-Institut“ in Berlin mit dem Studium der Medizin. Sein Lehrer wurde der berühmte Physiologe Johannes Müller; ein Studienkollege war der später so bekannte, vor allem in Berlin wirkende Arzt und Politiker Rudolf Virchow (1821-1902). Während des Medizinstudiums fand Helmholtz noch genügend Zeit, sich auch den Werken großer Mathematiker zu widmen. 1842 bestand er die Doktorprüfung, 1846 folgte die ärztliche Staatsprüfung, deren erfolgreicher Abschluss ihm den Titel „Arzt und Wundarzt“ einbrachte.
Eine von vielen Erfindungen, die Helmholtz machte, war sein berühmter Augenspiegel!
Erste Entdeckung
Neben seinem Dienst im Lazarett untersuchte er nach neuen chemischen und physikalischen Methoden die Vorgänge bei der Gärung, bei Fäulnis und Verwesung und die Stoffwechselvorgänge bei der Muskeltätigkeit. Anknüpfend an Justus von Liebigs Erkenntnisse, dass im Körper ein Zusammenhang zwischen der Verbrennungswärme bei der Verdauung und Temperatur und Arbeitsleistung besteht brach er mit der Vorstellung, eine dauernde „Lebenskraft“ bewirke die Lebensvorgänge. In seinem Werk Über die Erhaltung der Kraft veröffentlichte er seine Forschungsergebnisse. Seine Entdeckung rief lebhaften Beifall, aber auch Zurückhaltung und starke Ablehnung hervor.
Konstruktionszeichnung zum Augenspiegel
Julius Robert Mayer
Zu gleichen Ergebnissen, aber unter weit ungünstigeren Verhältnissen, war auch der junge schwäbische Schiffsarzt Julius Robert Mayer (1814-1878) gekommen. In holländischen Diensten im Hafen von Surabaya (Indonesien) tätig, hatte er die physiologischen Veränderungen an seinen Matrosen in der Tropenhitze beobachtet. Das hatte ihn zu dem Schluss geführt, dass die sogenannte „Lebenskraft“ äußeren Einflüssen unterliege.
Der Lehrer
1848 wurde Helmholtz Lehrer der Anatomie an der „Akademie der Schönen Künste“ in Berlin, 1849 Professor der Physiologie in Königsberg. In dieser Zeit führten ihn Untersuchungen über die Empfindung und Wirkung von Farben auf das Auge in das Gebiet der Optik. 1850 erfand er den Augenspiegel, ein wichtiges Instrument für die Augenheilkunde. Als „Schöpfer neuer Wissenschaft“ und „Wohltäter der Menschheit“ wurde er dafür gefeiert. Hermann von Helmholtz selbst sagte zu seinen Erfindungen nur, daß es ihm lächerlich vorkomme, „wie andere Leute so vernagelt sein konnten, sie nicht zu finden.“
Helmholtz war unter anderem Rektor der Berliner Universität. Für seine Arbeiten wurde ein eigenes Institut gebaut: das “Physikalische Institut” am Reichstagsufer.
Die weiteren Stationen seines Lebensweges sind 1854 die Universitäten Bonn und 1858 Heidelberg. 1871 wird er, der Physiologe und Anatom, Professor für Physik in Berlin.
Bis ins hohe Alter bemüht sich Helmholtz um eine Verbesserung der Ausbildung an Schulen und Hochschulen. Immer wieder betont er die pädagogische Aufgabe der Naturwissenschaften, die schon aus diesem Grund eine stärkere Berücksichtigung im Unterricht finden müssten. Auch eine volkstümliche Darstellung der Grundgesetze der Naturwissenschaften sei notwendig. Er sprach oft von einer Beseitigung der „Schranke, die zwischen den Männern der Wissenschaft und den Laien aufgerichtet“ sei.
Physikalische Erfolge
Physikalische Probleme waren es vor allem, die Helmholtz in der Medizin interessierten, so auch die Vorgänge beim „Hören“ und „Sehen“. Auf dem Gebiet der Musik wies er nach, welche Bedeutung die Obertöne für die Klangfarbe haben: Im Jahr 1862 erschien sein Buch Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik.
In das Gebiet der Optik gehört Helmholtz‘ Erfindung des Telestereoskops. Zusammen mit Ernst Abbe (1840-1905) untersuchte er die Leistungsfähigkeit des Mikroskops. Helmholtz vertiefte sich weiter in die Physik und arbeitete auf den Gebieten der Thermodynamik und der Hydrodynamik. Er begründete durch seine Untersuchungen die wissenschaftliche Meteorologie (Lehre vom Wetter). Seit 1870 widmete er sich der Theorie der Elektrodynamik. Er entwickelte die Vorstellungen M. Faradays (1791-1867) und J. C. Maxwells (1831-1879) von elektrischen und magnetischen Vorgängen weiter und vermutete, dass es elektromagnetische Wellen geben müsse, die sich wie Lichtwellen fortpflanzen. Sein großer Schüler und Freund, Heinrich Hertz (1857-1894), übernahm die Bearbeitung des ganzen Problems und wies 1888 die Existenz der elektromagnetischen Wellen experimentell nach.
Die letzten Jahre
Ein bis in die Gegenwart reichendes Forschungsprogramm bestimmte die letzten Lebensjahre von Hermann von Helmholtz. Mit Werner von Siemens (1816-1892) führte er die Planung und Organisation der Physikalisch-technischen Reichsanstalt (PTR) durch, die seit dem Zweiten Weltkrieg als Physikalisch-technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig weiterbesteht. Sie wurde als Institut gegründet, das Normen garantieren, dauernde Kontakte der Forscher verschiedener technisch-physikalischer Gebiete ermöglichen und so die wissenschaftliche Leistung steigern sollte. Heute umfasst die PTB die Abteilungen Mechanik, Elektrizität, Wärme, Optik, Akustik und Atomphysik. Angegliedert ist ihr das Deutsche Amt für Maß und Gewicht.
1888 wurde Helmholtz Präsident der neugegründeten Anstalt. Im Sommer 1893 besuchte er die Weltausstellung in Chicago. Auf der Rückreise verletzte er sich schwer bei einem Ohnmachtsanfall. Noch einmal kehrte seine Schaffenskraft zurück, aber am 8. September 1894 setzte eine Gehirnblutung seinem Leben ein Ende.
Texte entnommen aus “Eroberer und Entdecker”, Gondrom Verlag, Bindlach 1994
Wie funktioniert der Augenspiegel?
- Das Licht der Quelle trifft auf den halbdurchlässigen Spiegel und wird so reflektiert, dass es in das Patientenauge trifft.
- Das vom Augenhintergrund des Patienten gestreute Licht (rot) trifft auf den halbdurchlässigen Spiegel. Ein Teil des Lichtes wird reflektiert (nicht gezeichnet) und ein anderer Teil trifft durch den Spiegel und trifft in das Auge des Beobachters (Arzt).
- Sieht der Patient auch das Auge der untersuchenden Person?
- Prinzipiell könnte der Patient das Auge des Arztes sehen. Jedoch ist dieses – im Gegensatz zum Patientenauge – nicht ausgeleuchtet, so dass der Patient in der Praxis das Arztauge nicht sieht.
Für Augenärzte ist es von großer Bedeutung, das Innere des Auges untersuchen zu können, also die Netz- und die Aderhaut, den Glaskörper und die Linse betrachten zu können. Dies setzt voraus, dass von diesen Teilen des Auges Licht gestreut wird und das Auge verlässt. Seit längerem ist bekannt, dass das ins Auge einfallende Licht teilweise am Augenhintergrund gestreut wird, z.B. dadurch, dass die Augen verschiedener Tiere (z.B. Katze) sowie Augen von Albinos aufleuchten. Das am Augenhintergrund gestreute Licht verlässt das Auge auf dem gleichen Wege wie es in das Auge gelangt ist, aber jetzt in Richtung auf die Lichtquelle zu.
Bild vom Augenhintergrund
Die Bilder und Texte stammen von der Site: www.physik.uni-muenchen.de
Die Helmholtz-Gemeinschaft
Helmholtz-Gemeinschaft: In der Helmholtz-Gemeinschaft haben sich 15 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren zusammengeschlossen. Ihre Aufgabe ist es, langfristige Forschungsziele des Staates und der Gesellschaft zu verfolgen.
Über den Namensgeber der Gemeinschaft schreibt die Gemeinschaft: Hermann von Helmholtz (1821 bis 1894) gilt als Vollender der klassischen Physik und einer der letzten Universalgelehrten. Er steht für eine Naturwissenschaft, die Medizin, Physik und Chemie verknüpft. Helmholtz verkörpert in seiner Person die Physik in Theorie, Experiment und technologischer Anwendung.
Link zur Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren
Zusammengestellt: Thiem